Warum bloge ich eigentlich plötzlich übers Laufen?

Kurzfassung:

weil ichs kann! Also, laufen mein ich. Bloggen natürlich auch. Aber das ist ja keine Kunst.

Langfassung:

ich kann laufen! Seit… mal kurz überlegen (na gut, im Kalender nachschauen)… 7 Wochen laufe ich nun. Noch etwas unregelmäßig und ich weiß auch noch nicht wirklich wohin (leistungsmäßig).

Aber: ICH LAUFE!!!!!

Für den ein oder anderen da draußen ist das vielleicht nicht weiter erwähnenswert, aber ich finde das cool und bin so stolz, das glaubt keiner. Das muss jetzt hier einfach mal raus.

Zur Erklärung warum ich das so cool finde ein paar Sätze:

Ich war 2 1/2 oder gerade 3 Jahre alt (ich kann mich noch genau dran erinnern, als wäre es gestern gewesen 🙂 ), da bekam ich immer öfter immer weniger Luft. Eines Tages war es so schlimm, dass meine Eltern schon wahnsinnige Panik schoben. Erstickungsgefahr. Der Arzt war telefonisch alarmiert und sagte, noch am Telefon, nur: „So schnell wie möglich ins Krankenhaus!“ Das nächste Krankenhaus war (und ist es auch heute noch) in Wismar. Die so genannte „Schnelle Medizinische Hilfe“ hatte nur diesen hochtrabenden Namen weil er eben hochtrabend war. Ankunft eines Wagens in frühestens 45 Minuten. Schneller fuhr ein Barkas damals nicht und dazu waren diese auch noch alle gerade im Einsatz um irgendwelche alten Mütterchen spazieren zu fahren oder doch den ein oder anderen schwer Verletzten von einer volkseigenen Baustelle oder aus der Werft zu holen. Was heute eine Selbstverständlichkeit ist, der eigene Wagen (oder auch zwei bis fünf) vor der Tür war damals, im real existierenden Sozialismus, eher schwierig. Vor allem für eine junge Familie mit 2 kleinen Kindern die noch auf die Sägemehl-und-Presspapp-Schrankwand im Einheitsdesign „Erfurt“ spart und den tollen Schwarz-Weiß-Fernseher aus Stassfurt mit einem kleinen Vermögen bezahlt hat. Immerhin gab es schon ein Telefon im Dorf, welches auch noch zum Glück dank des benachbarten Konsums im selben Haus existierte. Da man sich aber gegenseitig half im Kampf gegen die Unbilden der planungswirtschaftlichen Ressourcenverknappung, wurde der Trabbi des Nachbarn bemüht, welcher dann den Kleinen, vom Erstickungstode Bedrohten und die Mutti mit Vollgas (also maximal 80 bis 90) über die staubigen Landstraßen in Richtung Kreiskrankenhaus beförderten. Mit seltenen und teuren Medikamenten vollgepumpt konnten die Ärzte dann die Situation entschärfen, die Diagnose lautete jedoch: Asthma. Die Prozedur mit dem Nachbarn, Erstickungsanfällen und der Panik sollte sich in den nächsten Jahren oftmals wiederholen, trotz stetig steigender Medikation, Kuren in fernen Ländern (ich hatte sogar mal einen Kurplatz auf Zypern, also beim Klassenfeind, sicher) und steter Schonung vor körperlicher Anstrengung. Die nach und nach dazukommenden Allergien gegen nahezu alles was aus dem Boden wächst und drauf rum läuft machten es nicht besser. Vor allem wenn man auf dem Dorf wohnt und der Bauer die fleißigen volkseigenen Erntefacharbeiter die Heuernte direkt neben dem elterlichen Haus einfuhren. Ich bekam Medikamente aus dem Westen, die Ampulle mit 50 Tabletten für 70 Mark. West! Die reichten knapp 9 Tage. Das Notfallspray von Bayer wurde gehütet wie ein Goldschatz und durfte nur knapp vor Ohnmacht benutzt werden. So wurde ich langsam größer, eingehüllt in Watte, die mich vor jeder Anstrengung schützen sollte, mich aber nicht davon abhalten konnte auf Bäume zu klettern und in Heumieten rum zu turnen um am Abend dann auszusehen wie ein Streuselkuchen und schnaufend, wie eine Dampflok mit Vollgas, Mutti erklären zu dürfen, was wir denn alles Tolles gemacht haben.

Dann kam die Pubertät. Auf Bäume klettern wurde uncool. In Heumieten hielt man sich nur noch auf um heimlich zu quarzen. Ich musste aber nicht an den Glimmstengeln nuckeln um aus dem letzten Loch zu pfeifen. Das ging auch so. Auch wenn es mit der Coolness nicht weit her ist, wenn man ständig rasselnde Geräusche bei jedem Atemzug von sich gibt, hielt mich das nicht ab, das zu tun, was alle jugendlichen in diesem Alter so tun: abhängen.

Die Wende nahte, mit ihr Farbfernsehen, Junk-Food und der erste Computer, ein Amiga 500, war von einem Teil des Jugendweihegeldes angeschafft. So wurde ich also der Computerfreak in meiner Klasse. Immerhin zur damaligen Zeit ein Alleinstellungsmerkmal, war ich doch der mittlerweile etwas pummelige, der beim Sport nie mitmacht und in der Pause eh nur auf der Bank saß. Ärztlichen Attesten sei Dank. Und so verbrachte ich meine Schulzeit damit auf Bänken herumzusitzen, beim Sportunterricht immer den Schiedsrichter, für Sportarten von denen ich keine Ahnung und auch kein Interesse daran hatte, zu spielen. Selbst 60m-Läufe bin ich nur ganz selten und „außer Konkurrenz“ gelaufen. Und so wuchs ich zu einem stattlichen jungen Pickelgesicht heran. Und das in wirklich alle Richtungen. Meine Oma sagte immer „stattliche Erscheinung“.

Die Bundeswehr ließ sich im Jahre 1997 vielleicht von Leberschäden, potentiellen Nierenversagern und gerissenen Kreuzbändern beeindrucken. Wenn man aber sagte, dass man Ahnung von Computern hat und auch in der Richtung später studieren wollte, halfen einem auch keine Atteste über Asthma, 5 dutzend Allergien und eine medizinische Musterung beim Medizinischen Dienst, die abgebrochen werden musste, weil der Kandidat beim Belastungs-EKG nach 5 Minuten einen Puls von 220 bei einer Leistung von 120Watt erreichte, bevor er vom Rad fiel. Also wurde ich eingezogen. Ich war der einzige, dem sogar der Ausflug auf den gemütlichen 5km Marsch verweigert wurde und der in der 2. Hälfte der Grundausbildung die Kaserne nicht mehr in Richtung Truppenübungsplatz verlassen durfte, weil die Sanitäterin bereits 2 Mal Panik schob, weil man den auf mittlerweile mehr als 2 Zentner angewachsenen Rekruten nicht mehr aus dem Gebüsch in den Bully bekam. Durfte ich so doch hinter den dicken, kühlenden Kasernenmauern bleiben, während sich der Rest bei 38° im Schatten in Geländespielen übte. Während der eigentlichen Dienstzeit war das alles kein Problem, war doch die anstrengendste Herausforderung morgens und nach der Mittagspause die Treppe zum ersten Stock ins Büro zu kommen um dort meinem bärtigen und langhaarigen Hauptmann den Kaffee zu kochen und Urlaubsscheine, Reservistenanträge und ähnliches zu bearbeiten. Außerdem stand dort einer der 2 Rechner der Einheit. So wuchs ich auch dort mit meinen Aufgaben.

Es folgten ein Studium, Ausbildung, Arbeit und normaler Alltagstrott. Immer gab es viel zu tun, immer irgendwas am Rechner. Zwischendurch eine Familie gegründet, Haus gebaut, Baum gepflanzt. Der Rechner wurde immer mehr zum Arbeitsinstrument und immer weniger zum Hobby. Ich suchte mir neue Ziele und Ausgleich vom Alltag im Geocaching und scheiterte bei allem was körperlich über 500m Feldweg in einer Stunde hinausging. Irgendwann hing ich dann doch mal beim Klettern in den Seilen an einem Baum. 6m. 30 Minuten. Die Hölle. Aber das Adrenalin war geil. Wenn das nur nicht so anstrengend wäre. Doch das war es auch noch lange danach und es wurde eher schlimmer als besser, denn ich machte mir das Leben und mich selbst immer schwerer.

Im Frühjahr 2010, ich komme kaum mehr in den dritten Stock im Büro ohne Atemnot, stieg ich nach langer Zeit mal wieder auf die Waage. Eher ein Versehen als Absicht, versuchte ich doch immer einen Bogen um dieses fiese und gemeine Ding zu machen, ahnte ich doch, dass die Anzeige nicht freundlich zu mir sein würde. Und sie war es nicht. Mehr als 130 Kilo zeigte sie an. So kann das nicht weitergehen. Ich versuchte es mit laufen. Das erste Mal in meinem Leben. „Das muss was bringen, so anstrengend wie das ist“, dachte ich mir, eine große Portion Nudeln in mich reinschaufelnd, als ich den ersten Lauf über 3 km hinter mir hatte, von denen ich immerhin gigantische 800m wirklich gelaufen bin. In 100m Bröckchen. Am nächsten Tag gleich wieder, mich schon auf die Portion Pommes im Anschluss gefreut, bekam ich Schmerzen im Schienbein. Diese wurden schlimmer und die nächsten Tage konnte ich gar nicht mehr laufen. Treppen kam ich nur auf dem Hosenboden rutschend hoch und runter. Jetzt wär ein Treppenmofa geil. Die Schmerzen hielten sich am Ende, trotz Antibiotika und Schmerzgel mehrere Wochen.

Bei Twitter aktiv und deutschlandweit mehr oder weniger gut vernetzt, rief RubysRudel zu einem Abnehmduell auf. Wer am meisten seines Gewichtes nach 12 Wochen weg schafft, der hätte gewonnen. Klang gut und kann zumindest nicht schaden, wusste ich doch, ein Tritt in den Hintern muss sein um Erfolg beim Thema Abspecken zu haben. Und ich hatte Erfolg. Rund 16 Kilo Verlust waren es nach den 12 Wochen. Anfängerglück sozusagen. Dabei auf den Geschmack gekommen machte ich weiter. Hauptmittel: Essensreduktion und das was noch gegessen wurde waren dann im Großen und Ganzen beinahe nur noch Gemüse in Form von Bohnen und Eier sowie Möhren zum Knabbern und Äpfel in großen Mengen. Brot, Fleisch, Süßkram wurde zwar auch noch gegessen, allerdings in Maßen und immer seltener.

Nach einem halben Jahr waren es dann fast 30 Kilo und ich wurde immer schmaler, aber auch schwächlicher. So ist das halt. Man nimmt eben nicht nur Fett ab, sondern auch Muskeln. Sport solle ich machen, wurde mir geraten. Also ging ich ins Fitnessstudio. Und ich ging regelmäßig, denn es fing an Spaß zu machen sich auszupowern. Ein halbes Jahr etwa war ich nun dort. Es fing langsam an eintönig zu werden. Immer dieselben Deckenplatten, Spiegelbilder, Staubmilben hinter den immer gleichen Geräten. 12x 30Kilo hier, das dreimal , dann 12×70 Kilo dort, auch dreimal, dann 12×40 Kilo an dem Gerät. Auch hier: dreimal…. Bei der Beinpresse war ich bereits am Ende. Gerade das Gerät, was mir am meisten Spaß machte, war also schon am Ende. 12 Wiederholungen in 3 Sätzen waren da mittlerweile auch mit 213 Kilo kein Problem mehr. Ich könnte nur noch die Position von Körper, Füßen, Neigungswinkeln variieren, aber es wäre keine Herausforderung mehr. Langweilig sozusagen. Immerhin waren so aber mittlerweile rund 40Kilo runter.

wichtigste Ausrüstung: Schuhe und GPSr

Einen Tag vor Ostern ging dann eine Rundmail in unserer Firma rum. Es wurden sportliche Mitarbeiter gesucht um beim Nachtlauf in 2 Wochen am Firmenbiathlon teilzunehmen, den die Firma dort sponsert. Kurzentschlossen sagte ich also zu. 200m laufen (später sollte sich herausstellen, dass wir die auch wieder zurück müssten), ein bisschen mit Lasergewehren um uns ballern, ich stellte mir schon schwere Karbon- und Keramik-Rüstungen sowie mächtige, futuristische Kanonen vor, sollten doch kein Problem sein.

Am Abend schaute ich mir dann die Veranstaltungsseite einmal in Ruhe an und stellte fest, dass ist schon so spät, dass die Kinder eh bei Oma und Opa übernachten werden müssen. Und nur für die 200m durch die Gegend sprinten extra die 20km Anfahrt? Lohnt ja gar nicht. Also fix noch eine Mail an die firmeninterne Organisationsleiterin geschrieben, dass ich, nur damit sich das lohnt, doch einfach mal die 5km Strecke mitlaufen wollen würde und ob da noch was möglich wäre. Und es war, denn eine Kollegin musste absagen und ich bekam ihren Startplatz, T-Shirt, Altersklasse etc. Projekt 5.2 war geboren.

Im Vorfeld dachte ich noch: „hey, läufst halt ein bisschen, den Rest gehst du einfach“ und machte dann ein paar „Trainingsläufe“ im heimischen Wald. Erstaunlicherweise waren die 5km durchlaufen gar kein Problem. Wow! Kam ich doch vor einem Jahr mal grad noch ein paar Treppen hoch und konnte mich, oben angekommen, mit Müh und Not bei Bewusstsein halten. Doch was ist, wenn die Schienbeinschmerzen vom letzten Jahr wiederkommen? Also vorsichtig laufen und etwas schonen. Der Wettkampf lief dann so gut (wow, ich lauf 5 Kilometer in solche einem Tempo durch! Wow! Und dann die Leute! Wow!), dass ich mich gleich eine Woche später mehrere hundert Kilometer entfernt beim nächsten Wettkampf anmeldete. Das machte richtig Spaß und die erreichten Zeiten sind zumindest so gut, dass ich nicht letzter wurde. Die Entfernungen wurden langsam aber sicher größer. Schmerzen? Nix. Nada. Njente. Nur hier ein bisschen drücken, da ein wenig scheuern (vor allem im Brustbereich scheuern die Shirts recht unangenehm, wenn es eine längere Strecke wird). Aber nichts Ernsthaftes.

Letzten Sonntag dann der erste offizielle 10km-Lauf. Zielzeit von unter einer Stunde um knapp 2 Minuten verfehlt. Ich könnte das jetzt auf die 28° im Schatten schieben, aber eigentlich hätte ich nur schneller laufen müssen (was ich auch gekonnt hätte, da war noch etwas Luft am Ende über). Aber das Glücksgefühl im Ziel ist einfach unglaublich. Geschafft!

Nach 30 Jahren Sportvermeidung und 25 Jahren Adipositaskariere kann ich endlich laufen. Also nicht nur ein kurzer Sprint mit anschließender Suche nach einem Sauerstoffzelt, sondern richtiges Laufen. Lang und Weit. Und das ist so toll, dass glaubt keiner, der das, oder ähnliches, nicht schon einmal selbst erlebt hat. Außerdem wurde bei meiner „großen“ Tochter, neben den bereits bekannten Allergien, gerade Asthma diagnostiziert und ich möchte ihr diese Moppelkarriere ersparen. Hierfür gilt es Vorbild zu sein und, anders als meine Eltern damals, sie aktiv zu Sport zu animieren. Das geht von der Couch ganz schlecht.

Und darum werden hier in Zukunft auch noch mehr Laufberichte erscheinen. Natürlich neben den anderen, nicht statt dessen.

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11 Responses to "Warum bloge ich eigentlich plötzlich übers Laufen?"

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